Mensch im Raum
Gedanken des Künstlers über "Abbild und Wirklichkeit" oder der Versuch Wittgensteins Tractatus in Bilder zu übersetzen:
Suche ich Wirklichkeit, versuche ich.
Es ist denkunmöglich ein Abbild oder nur einen Satz über die Wirklichkeit zu formulieren, der mit ihr in irgendeiner Verbindung steht.
Ein gemaltes BILD oder einen geschriebenen Satz ereilt doch sofort nach Fertigstellung das selbe Schicksal - sie werden selbst zur Wirklichkeit. Mittels willkürlicher Worte (und Laute), deren Sinn von einer ebenso willkürlichen Grammatik bestimmt wird, lässt sich die Wirklichkeit ebensowenig beschreiben wie mit noch so exakten Abbildern in Photografien oder Gemälden. Ein Satz lässt sich nicht beschreiben, indem man über ihn schreibt.
Die Wirklichkeit ist nicht einmal denkbar.
Zitat Ludwig Wittgenstein: "Der Satz kann die gesamte Wirklichkeit darstellen, aber er kann nicht das darstellen, was er mit der Wirklichkeit gemein haben muss, um sie darstellen zu können - die logische Form. Um die logische Form darstellen zu können, müssten wir uns mit dem Satz ausserhalb der Logik aufstellen können, das heißt, außerhalb der Welt." (Tractatus 4.12)
Wie unschwer erkennbar, bedeutet Wirklichkeit - wie ich sie verstehe - bei Wittgenstein logische Form. Er versteht unter Wirklichkeit: Zitat:"Das Bild ist ein Modell der Wirklichkeit" (Tractatus 2.12), "Was das Bild mit der Wirklichkeit gemein haben muss, um sie auf seine Art und Weise - richtig oder falsch -abbilden zu können, ist seine Form der Abbildung" (Tractatus 2.17)
Ein weiteres Problem beim Erfassem des Begriffes "Wirklichkeit" lässt sich am besten anhand von Rene Margrittes Bild einer Pfeife darlegen, auf dem geschrieben steht: "Dies ist keine Pfeife." (1928). Natürlich handelt es sich bei diesem Gegenstand nicht um eine Pfeife sondern um ein Ölbild. Ebensowenig wie das Ölbild eine Pfeife ist, ist es keine Pfeife.
Zitat Wittgenstein: "Nur dadurch kann ein Satz wahr oder falsch sein, indem er ein Bild der Wirklichkeit ist." (Tractatus 4.06) und "Was gezeigt werden kann, kann nicht gesagt werden." (Tractatus 4.1212).
Das heißt, ein Satz kann ein Abbild der Wirklichkeit weder bejahen, noch verneinen oder beschreiben. Er ist Teil derselben Wirklichkeit und somit selbst wirklich. Ebensowenig kann ein Bild einen Satz beschreiben oder ersetzen, denn auch das Bild ist Wirklichkeit. Der Anblick eines Gegenstandes ist doch schon ein Abbild desselben. Dieses Abbild noch einmal abzubilden als Foto, Aquarell.... bringt uns noch einen Schritt weiter von der Wirklichkeit weg. Betrachtet nun der Besucher einer Ausstellung ein solches Abbild, so hat er ein Abbild des Abbildes vor Augen - das durch zwei Gehirne gefiltert wurde.
Es ist also eine Tatsache, dass jeder Versuch die Wirklichkeit abzubilden. ein Schritt weg von ihr ist.
Das gleiche gilt auch für Literatur, Musik und SCHAUSPIEL. Im Moment der Darstellung ist das Dargestellte die einzige Wirklichkeit und nicht das was man darzustellen versuchte. Ein Mord auf der Bühne oder im Film ist daher ein Mord und nicht nur eine Darstellung desselben - im Augenblick der Darstellung ist er Wirklichkeit. Nur der Tod lässt sich nicht darstellen, er ist kein Ereignis des Lebens und daher auch nicht Teil der Wirklichkeit (des Lebens).
Es ist unmöglich einen geschriebenen Text zur Wirklichkeit zu machen und umgekehrt. Die
Schauspieler sind Wirklichkeit, einzig indem sie leben. Nur während sie das tun, sind sie Wirklichkeit,
sobald sie spielen (gelernte Texte auswendig hersagen oder eingeübte Schritte tun) werden sie zum Abbild des Abbildes des Abbildes - zu viele Schritte von der Wirklichkeit weg - das Gemeinte wird unbegreiflich.
Geht man nun daran ein BILD (z.B. eine Landschaft) in Öl zu malen, so ist das Bild selbst Wirklichkeit, ebenso wie die Landschaft die man darzustellen versucht hat. Beide sind Teile der Welt, ein anderer
Zusammenhang besteht nicht. Aufgrund von optischer und intellektueller Grammatik ergibt sich ein gewisser Wiedererkennungswert, der aber kein Maß für das Gelingen des Abbildungsversuches ist, sondern vielmehr eine Folge uniformen Denkens, ein Mangel an eigenständiger Betrachtungs- und Denkfähigkeit.
Eine fremde Darstellung der Wirklichkeit als eine solche zu erkennen erschient mir daher nicht erstrebenswert. Ich kann nicht malen was ich sehe, ich kann nur sehen was ich sehe und malen was ich male. Dabei einen Zusammenhang herstellen zu wollen ist erlaubt, führt aber zu nichts. Fruchtbar für den Einzelnen ist einzig die Frage: "Was sehe ich?" Unfruchtbar ist dagegen der Versuch Gesehenes mitzuteilen.
Nicht die äußere Form der Welt soll gleich der äußeren Form des Kunstwerkes sein - indem ein Kunstwerk ist, ist es Teil der Welt. Das ist alles, mehr ist nicht zu erreichen. Das eine haben das Leben und Kunst gemeinsam: Was man nicht versteht, das kann man auch nicht teilen.