Katalogtexte
Text: Werkmonografie "Axel Staudinger"
Über die Arbeit Axel Staudingers zu schreiben bedeutet,über einen jungen Künstler zu reflektieren der, je nach Standpunkt als reaktionär oder aber auch als progressivgehandelt werden kann.
Erstere Ansicht wird wohl von jenen Kunstbetrachtern vertreten werden, welche der Malerei per se jegliche künstlerische Neuerung und somit auch jegliche Legitimation absprechen, welche die Historie als längst überdie Gesellschaftsrelevanz dieser Kunst hinweggebraust ansehen und die Malerei als Relikt vergangener Kunstepochen betrachten, als bestenfalls historisierend angewandtes Überbleibsel einer jahrtausendealten Tradition,welche eben noch immer ihre Nachwirkungen zeitigt.
Unddoch wäre es ein leichtes, allein in einer historischen Rückblende der letzten 30 Jahre, in denen eben auch neben den bisherigen künstlerischen Ausdrucksmitteln sich neue Formen entwickeln konnten, auf die überaus mannigfaltigen lnnovationen innerhalb der Malerei zu verweisen; auf revolutionäre Strömungen welche eigene Schulen und-Ismen hervorzubringen imstande waren, auf Auswirkungen,welchen gesellschaftspolitische Relevanz nicht abgesprochen werden kann.
Nun soll hier an dieser Stelle jedoch kein Exkurs zur Rechtfertigung moderner Malerei getrieben werden, für dieAutorin steht dies ohnehin außer Zweifel, vielmehr sollen dieseZeilen dazu dienen, das Werk Axel Staudingers hinsichtlich seiner dynamischen Entwicklung und seiner mehrschichtigen Komplexität näher zu erläutern.
Wiewohl jedoch hier ausdrücklich unterstrichen werden soll,dass Axel Staudingers Beschäftigung mit der Malerei durchaus als futurisch und in keiner Weise als reaktionär postuliert werden kann.
In einer durch Hochtechnologien undderen industrielle Umsetzungen verstärkt bedrohten Welt, inder auf weiten Teilen durch unterschiedliche Ideologiender Mensch als Individuum kaum mehr wahrgenommen wird, sollte ein sich mit dem einzelnen Humanum beschäftigender Künstler nicht als wirklichkeitsscheuer Sonderling angesehen werden, welcher innerhalb einer gesellschaftlichenKosten-Nutzen-Rechnung ausschließlich im roten Zahlenbereich zu finden ist.
Vielmehr sollte sich der Blick schärfen,dass es sich bei Künstlern wie Axel Staudinger um Menschenhandelt, welche uns exemplarisch und drastisch zugleich aufdas elementarste und wichtigste Maß, nämlich das menschliche hinweisen.
Diese Reduktion sollte als Postulat für allunser Tun vorangestellt werden, gerade weil wir sie in allenLebensbereichen bereits seit langem gänzlich verloren haben.
Die seherische Aussage Karl Kraus' anlässlich des Untergangesder Titanik, dass dies Gottes Rache ex machina an den Anbetern der Maschine gewesen sei, scheint angesichts der heutigen globalen Bedrohungen nur wie ein leichter Auftakt dessen, was die Menschheit seither an Zerstörungen und Leid über sich ergehen lassen musste.
Waren noch bis Mitte unseres Jahrhunderts Technisierungswahn und Fortschrittsglaube an unbegrenzten Konsum Triebfedern unserer westlichen Gesellschaft, so stellt sich nun doch schon seit einigen Jahren immer stärker die Frage nach der Ausbeutung von Natur und Mensch.
Ökobeflissene einerseits und “spirituelle Erneuerer" andererseits versuchen von ihnen als „neu“ proklamierte Lebensformen aufzuzeigen, die im Grunde -nur gänzlich unbeachtet- ein Großteil der bildenden Künstler um uns, wie auch Axel Staudinger, tagtäglich vorlebt.
Rückbesinnung auf eigene Fähigkeiten und Werte, ökonomischer Umgang mit der eigenen Lebenszeit, maßvoller Konsum was die Güter derselben anbelangt.
Dass Staudinger jedoch mit seiner Art der Kunst- undLebensbewältigung nicht alleine innerhalb unserer Gesellschaftsteht ist offensichtlich.
innerhalb der Künstlergemeinschaftsteht der großen Zahl derer, die, wie Wolfgang Drechsler in einem Beitrag schreibt, „ ihr Aufgabengebietwieder verstärkt in den traditionellen Medien, im Tafelbildund in der Skulptur“ stehen, eine eher kleine, aberdoch im Wachsen begriffene Gruppe von Künstlern gegenüber,die sich oft in exzessiver Weise der neuen Medien bedienen.
So sehr letztgenannte Schaffende ständig bemüht sind, ihre künstlerischen Ausdrucksmittel zu erweitern, zu perfektionieren und aufgrund des technischen Zuganges weltweit zu Verbreiten, sowenig trifft das auf Künstler wie AxelStaudinger zu.
„Dieser Rückzug“, wieder WolfgangDrechsler, „ auf die klassischen Kunstgattungen geht auch einhermit einer Wiederaufnahme klassischer Themen, wie Stillleben,Landschaft, Akt oder Porträt.
Dabei handelt es sich um keine analytische, philosophisch hinterfragende Beschäftigungmit der realen Welt, sondern eher um den sehr privaten, persönlichen Versuch, sich der eigenen näheren Umgebung bewusst zu werden, gleichsam staunend über die kleinen Dinge des Lebens.
Auf diese Polarität in der Kunstweltmacht auch Kristian Sotriffer aufmerksam, wenn erdarauf hinweist, dass ein freier Künstler nicht nur jener sei,der sich außerhalb einer ihn tragenden Gesellschaft bewegt, sondern dass er selbst die Wahl habe zu entscheiden,wem er dienen will.
Und er stellt dann ebenso zwei große Kunstanschauungsblöcke unseres Jahrhunderts nebeneinander, eben jenen, deren Proponenten „nur noch Ideen, bestenfalls rudimentär zur Darstellung gebracht, auf einen imaginären' Markt“ werfen, während die anderen“ das eben verlassene Atelier wieder bezogen und sich Orientierungspunkte verschafft haben, an deren Wiederkehr zeitweise niemand mehr glauben mochte.
“Nun ist Axel Staudinger ohne Zweifel der zweiten Gruppevon Künstlern zuzuordnen, mit der Einschränkung, daß ersein Atelier nie verlassen hat, sondern immer schon, ohne Anschluss an derzeit forcierte Kunstströmungen - welche ihr Beschäftigungsfeld auf sozio-kulturelle Phänomene bzw.
noch weiter auf kunstrezeptorische Fragen ausgedehnthaben - im eigenen Atelier, abgeschottet von der Umwelt, ganz der eigenen 'Idea' verpflichtet und ausgesetzt,arbeitete.
Quasi eingeschlossen im schützenden, selbstgestalteten Raum - in einer ureigens geschaffenen „Kunst-blase“ die zugleich abschottet und lntimität und Schutz gewährt.
Grundsätzlich sollte es aber nie um Kategorisierungen in verschiedene künstlerische Schubladen gehen, sondern vielmehr um eine Annäherung an das kreative Potential sowie das alle Dinglichkeiten hinter sich lassende Gedankenkonstrukt des Künstlers Axel Staudinger, welchesuns durch seine Werke erfahrbar wird.
Ein Spezifikumseiner Arbeitsweise ist, dass er sich zyklisch mit bestimmten Themenkomplexen auseinandersetzt, diese nachder theoretischen Auseinandersetzung vorerst wie eine abgeschlossene Einheit ad acta legt, um schließlich zueinem späteren Zeitpunkt, jedoch wiederum in einem neuen Zyklus, sich bewusst oder auch unbewusst darauf zu beziehen oder diese auch weiterzuentwickeln.
So zeigen die Fotoserien dieses Kataloges mit ausgewählten Beispielen nur einen Teil der bisher entstandenen Zyklen.
Die Entstehungsgeschichte all dieser Zyklen ähnelte einander in einer temporär unbestimmten Spanne der Auseinandersetzung mit dem Thema, von der Außenwelt unbemerkt ablaufend, folgt eine fast eruptionsartige Schaffensperiode, welche in einer unglaublichen Rasanz den gesamten Zyklus hervorbringt.
So entstehen kleinformatige Papierarbeiten zu Dutzenden in einer Nacht, oder großformatige Leinwände eines Zyklus' innerhalb weniger Tage.
Der von Arnold Schönberg geformte Ausspruch „Kunstkommt nicht von Können, sondern von Müssen“ erfährt inAxel Staudingers Arbeitsweise wohl seine direkte Legitimation und Überprüfbarkeit.
Staudingers persönlicher Arbeitsstil ist im engeren Sinne als außerordentlich ökonomisch anzuerkennen.
Vor allem im Hinblick auf seine Radikalität, in seinen Bildern und Skulpture nnicht durch Perfektion und Übung das Schöne vervollkommnen zu wollen, auch nicht durch gestische Malweiseund den anschließenden Selektionsprozess eine Optimierung des Werkes vorzunehmen, sondern fertig gedachte Konzepte und Bildvorstellungen kompromisslos und dicht umzusetzen und als solche gelten zu lassen.
„Zu seiner ldentítät gelangt ein Subjekt, so will es scheinen,allein auf dem Wege der Entwicklung.
Indem es sich wie auch immer gearteten Fremdeinflüssen aussetzt, erprobt es sich und die anderen, baut Widerstände auf und gestaltetsich entsprechend den inneren und äußeren Möglichkeiten,die sich ihm genetisch, historisch, sozial, kulturell, ökonomisch,aber auch mental und emotional bieten.
Identitätscheint immer als Ergebnis eines Vorgangs zu stehen, aber sie verharrt nur als vorläufige, bleibt wandelbar; kann ebenauch wieder gebrochen werden, von außen oder von innen.
Identität ist also sowohl statisch als auch dynamisch zu denken;sie ist Zustand und Entwicklung zugleich.
“ Diese Betrachtungen von Hans Peter Thurnfi gelten nicht nur für das Individuum als solches, sondern ebenso für das künstlerische lndividuum.
Durch Axel Staudingers Zyklen lässt sichseine künstlerische Entwicklung und ldentitätssuche in besonderem Maße nachvollziehen, denn alles, was uns auf den ersten Blick als Schilderung einer Seinssituation einer vom Künstler festgehaltenen Person erscheint, angefangenvom Akt auf Sessel bis hin zu den Porträts, ist letztlich nur eine Befindlichkeitsbeschreibung seiner selbst.
Dies wäre für den Betrachter der Bilder und Skulpturen nun wohl noch keine ausreichende Motivation, abgesehen voneher voyeuristischen Momenten, sich näher mit diesemWerk zu beschäftigen.
Wäre nicht doch letztlich über alldiesen Arbeiten eine große, ordnende und sinnstiftende“Gedankenklammer spürbar, welche über das subjektive Erlebnis des Künstlers hinausragt und auf allgemeingültige menschliche Erscheinungs- und Gefühlsformen hinweist.
Eine Beschreibung des Werkes Axel Staudingers wäreunvollständig, würde nicht auf die spürbaren Verbindungen zu Alberto Giacometti hingewiesen.
Für Staudinger selbst „einer der größten, wenn nicht der größte Künstler unseres Jahrhunderts überhaupt“, ist er ohne Zweifel mehr als nur Vorbild in künstlerischen Belangen.
Es ist nicht nur dessen einzigartige, sehr persönliche Formensprache die auf Widerhall stößt, vielmehr ist es dessen grundsätzliche künstlerische Lebensgestaltung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen, widergespiegelt in dessen vorliegendem Werk.
Die bewusste Begrenzung der Themen auf das allernächste Umfeld sowohl räumlich - wie im Atelier und den Atelierbildern - als auch in der persönlichen sozialenBeschäftigung - Familie und Freunde stehen hier im Vordergrund –trifft sowohl für Giacometti als auch Staudinger zu.
Bei näherer Betrachtung hat es den Anschein, als ob sich inder Arbeit des jungen Künstlers eine Weiterentwicklung, eine persönliche Aneignung und Umwandlung einesbestimmten Teiles des Werkes von Giacometti vollzöge.
Erst durch intensive Auseinandersetzung mit dem Werk beider beginnt sich das vordergründig als epigonenhaft Auslegbare zu klären, zu verselbständigen und in eine Wechselbeziehung zu Giacomettis 'kunstgeschichtlichen Ikonen' zu treten.
Nie geht es bei Staudinger um einfache Übernahmenbereits formulierter Bilderwelten.
Vielmehr handelt es sichzuallererst um ein psychologisches Einfühlungsmoment,eine Suche nach Nachvollziehbarkeit der künstlerischen Ausdrucksweise und des dahinterstehenden Konzeptes vor dem Hintergrund der eigenen persönlichen Erlebniswelten.
Erst daraufhin erfolgt die eigenständige künstlerische Verarbeitung, welche durch den Filter der eigenen Persönlichkeit läuft, ja zwangsweise laufen muss - erfolgt die Umwandlung,Eigeninterpretation und schließlich die eigene Bildsprache,welche mittlerweile eine unverkennbare eigene Handschrift trägt.
Das Werk Alberto Giacomettis weist über plastische Kongruenzen hinaus weit in das "Kunstsystem" des jungen Steirers.
So stehen einige der Werkgruppen Staudingers in direktem Bezug zu Arbeiten des Schweizer Künstlers.
Sienehmen einen Grundgedanken - wie z.B. jenen der Porträtsi m Atelier auf, um diesen dann, weit mehr als nur neu adaptiert, in einer ganzen Zahl von Bildern leitmotivisch weiterzuverarbeiten.
Vergleiche aus der Musik können hierwohl am anschaulichsten diese Arbeitsweise verdeutlichen.
Giacomettis Vorlage bildet den Generalbass über welchem sich die einzelnen gesondert ausgeführten Bildstimmen Staudingers ausbreiten, jede sich selbst genügend, imZusammenklang aber erst ihre ganze Kraft, Tiefe und Komplexität preisgebend.
So erweitert sich der lnterpretationsrahmen um ein Vielfaches, verzahnt man die Arbeiten beider Künstler miteinander.
Der größte Kunstgriff besteht aber darin, dass Staudingers Bilder und Skulpturen nicht zwingend unter der kunsthistorischen Vergleichsmöglichkeit gesehen und interpretiert werden müssen.
Gewiss gibt es Arbeiten, welche ihren offenkundigen Bezug zu Giacometti so stark zur Schau tragen,dass sie Gefahr laufen von der historischen Vorlage aufgesogenzu werden.
Der weitaus größere Teil der Bilder und Skulpturen ist aber in einer Art und Weise verselbständigt,dass er sich, wie erläutert, mannigfachen Deutungsansätzen stellen und originär standhalten kann.
Was an Vergleichbarem und Wiedererkennbarem in Verbindung mit Giacometti für den „Kunstkenner'“ auf den erstenBlick in Staudingers Werk vielleicht allzu deutlich hervortritt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung seines gesamten Oeuvres vielmehr als ein System, welches der Künstlerbewusst einsetzt.
Immer wieder, ja oft gänzlich unverhohlen, greift er in seinen Arbeiten auf bereits bekanntes und anerkanntes Kunstschaffen von prominenten internationalen Kollegen zurück.
Im Gegensatz zu vielen anderen jedoch, die meist nur ironisierende Varianten bereits erarbeiteter und definierter künstlerischer Probleme anbieten - attributiv „mit einem Augenzwinkern“ oder auch „spielerisch abgewandelt“ in den dazugehörigen Rezensionen versehen - ist es ein geradezu respektvoller Umgang mit den Vorbildern, welcher Staudingers Arbeiten kennzeichnet.
Der unbedingte Wille, nicht im eigenen Formenkanon zu erstarren, ja vielmehr jeder gefundenen künstlerischen Lösung sofort den Rücken zu kehren, sowie andererseits das Bewusstsein, nicht alle “künstlerischen Räderneu erfinden zu können, musste Axel Staudinger wohl automatisch auf seinen, mit beachtenswerter Geradlinigkeitund Hartnäckigkeit verfolgten Weg führen.
Trotz des bewussten kunsthistorischen Einflusses bzw. kunsthistorischenVorbildes ist es letztendlich immer Staudingers künstlerische Persönlichkeitsstruktur welche diese Zitate erweitert, verändertund sie schließlich in neue Sinnzusammenhänge einbettet.
Quasi als 'Nebenprodukt' dieser Arbeitsweise fallen hierbei auch neuartige Betrachtungsweisen auf die zitierten Werke selbst zurück, als „interaktiv“ würde dieser Vorgang im trendigen Computerfachjargon wohl betitelt werden.
Wenn man 'das Moderne' unserer Zeit als Abkehr der seitdem Anbruch des lndustriezeitalters geltenden Maxime von„schneller, höher und besser“ definiert, und wenn geistiges Eigentum als genauso recyclebar angesehen werden darf wie dies im stofflichen Bereich der Fall ist, so steht Staudingers Kunst auf der Höhe unserer Zeit.
Oftmals mag seine Kunst unter dem Gesichtspunkt der fortschreitenden Entwicklung innerhalb des gesamten Systems eine Kunst der kleinen Schritte sein, nichts desto trotz verlangt sie vom Betrachter jedoch ungleich mehr Kenntnis und Kunsterfahrung, um eine ernstzunehmende Reaktion und Beurteilung für den Künstler selbst abgeben zu können, als dies bei so manch anderem "Avantgardisten" der Fall sein mag.
Die Schwierigkeit, die sich in Zusammenhang mit der Beurteilung dieser Kunst wohl des öfteren stellt, nämlich Kontinuität im Schaffen Staudingers aufspüren zu wollen, wird mit jedem weiteren Bruch zu Vorhergegangenem nicht grösser, sondern geringer werden.
Das System der eigenen Erneuerung und der historischen Rückbesinnung wird umso deutlicher, je öfter es vom Künstler selbst praktiziert wird.
Dass er dadurch aber gleichzeitig dem obersten Postulat des Kunstmarktes - nämlich Wiedererkennbarkeit bis zur x-ten Selbstreproduktion - zuwiderhandelt, wird von ihm in Kauf genommen.
So gerät jede neue Serie nicht nur zum künstlerischen sondern auch zum ökonomischen Hochseilakt, der keineswegs durch einen vorhersehbaren Verkaufserfolg abgesichert ist.
Der hier vorliegende Katalog bietet aufgrund seines reichhaltigen Bildmaterials einen Querschnitt durch die künstlerische Arbeit Staudingers der vergangenen 10 Jahre.
Er eröffnet dem Leser und dem Betrachter einen künstlerischen Kosmos dessen Kreativität und Schaffensdrang Respekt abverlangen.
Er dient einerseits als Dokument bereits geleisteter und abgelieferter Arbeit innerhalb des bildenden Kunstsystems, und ist andererseits wohl auch als Ansporn für die kommenden Jahrzehnte - sowohl für den Künstler, als auch für die Freunde seiner Kunst - anzusehen.
Text: Werkmonografie "Axel Staudinger", Dr. Michaela Preiner, Graz 1997
Textfragment zur Eröffnungsrede in der Galerie Vorderhaus13, im Jahr 1998 verfasst und gehalten von Frau Mag. Ute Angeringer
versuch einer annäherung
aus meiner überzeugung der unzulänglichkeit der biographie, welche als hauptforschungsgegenstand der kunstgeschichte erhoben, dem versuch entspräche, ein eisenbahnnetz eines landes aufgrund der erfahrungen eines einzelnen reisenden der nur einige strecken befahren hat, zu untersuchen [vgl. george kubier], habe ich drei begriffe genommen, von denen ich meine, dass sie sich in den teilweise ebenso sprunghaften wie vielschichtigen entwicklungen des künstlers axel staudinger konstant wiederfinden & anhand derer ich den versuch einer annäherung an seine künstlerischen Intentionen vornehmen möchte.
giacometti + der mensch + die wirklichkeit
giacometti, gemeint ist alberto giacometti, der künstler der einmal behauptete dass er „eine katze eher aus einem brennenden haus retten würde als einen rembrandt..", jener künstler der nicht nur als einer der hauptverantwortlichen zeichnet für die aktive auseinandersetzung axel staudingers mit der kunst überhaupt, vielmehr begleiten dessen werk und gedanken unseren jungen künstler seit nunmehr 18 jahren, nach eigenen aussagen verbindet axel staudinger mit giacometti eine ad imaginäre meister - schüler beziehung, nachdem axel staudinger seine künstlerische ausdruckssprache stets in autodidaktischer weise fand und nie bei einem meister in die lehre ging.
erwähnte aussage giacomettis ist nicht als abwertung des künstlerischen genies rembrandt zu verstehen, vielmehr spiegelt sie dessen obsession der suche nach der wirklichkeit wider, den versuch, die unmöglich scheinende grenze, welche die kunst als eine die wirklichkeit abbildende von der wirklichkeit selbst trennt, zu überwinden. dem begnadeten künstler wird es vielleicht möglich sein, ein kunstwerk, das dem eines rembrandt nahekommt, dieses vielleicht sogar übertrifft, zu schaffen, niemals jedoch wird es ihm gelingen wirkliches leben zu kreieren.
diesem unlösbaren widerspruch, dem die kunst seit nunmehr mindestens einem jahrhundert, nämlich seitdem sie den anspruch des ausschliesslich abbildenden ein für allemal hinter sich gelassen zu haben scheint, auf unterschiedlichste weise und in ständig sich verändernden kategorien reagiert, diesem unlösbaren widerspruch setzt axel staudinger >scheinbar< unbeeindruckt und unbelastet von allerorts diskutierten veränderungen durch die zunehmende medialisierung und deren mögliche auswirkungen auf die kunst, welche die malerei als kunstform seit geraumer zeit bereits in frage stellt, und ihr zum teil die berechtigung bereits abgesprochen hat, sich oft schnell-bisweilen sprunghaft verändernde immer aber kraftvolle bilder und subtile skulpturen entgegen. hat die intention der überwindung des traditionellen kunstbegriffes die kunst in diesem jahrhundert zusehends „entmaterialisiert", [dada,
konzeptkunst, minimal-art, arte povera...] so stellt sich unser künstler diesem problem sehr direkt — zentrum sowohl der auseinandersetzung als auch der künstlerischen darstellung bleibt der mensch — der mensch + seine mögliche, unmögliche, qualvoll-komplizierte, schwierige nur manchmal leicht anmutende wirklichkeit.. der begriff der wirklichkeit soll im raum stehen, jeder versuch einer allgemeingültige definition würde zwangsläufig in jenen widersprücken enden, die nicht nur künstler, philosophen und wissenschaften sondern die menschen beschäftigen
einen denkanstoss in diese richtungn gibt uns a.s selbst. zitat „ der anblick eines gegenstandes ist schon ein abbild desselben — dieses abbild noch einmal abzubilden [...] bringt uns noch einen schritt weiter weg von der wirklichkeit. betrachtet der besucher einer ausstellung ein solches abbild, so hat er ein abbild eines abbildes vor sich." zitat ende. einen schritt weitergehend zeige ich ein dia und dies führt uns noch einen schritt weiter weg von der wirklichkeit. das bild abbild zeigt den künstler mit einem seiner kunstwerke und transportiert damit unterschiedliche ebenen der wirklichkeit bzw. ihres abbildes, den menschen[künstler] der die idee einer wirklichkeit bildhaft umgesetzt hat, diese wirklichkeit jedoch in sich trägt [1. ebene], die künstlerische umsetzung derselben [2. ebene], als 3. ebene –
filter tritt die linse des fotographen, der beide ebenen abbildet, somit befinden wir, die
wir dieses bild betrachten uns bereits in der 4. ebene...
um sich nicht in weiteren eben zu verlieren, möchte ich eine ebene zurückspringen – nämlich in die der bilder. ein thema zieht sich wie ein roter faden durch das gesamtwerk, beginnend als zyklus „akt vom sessel stürzend" tritt er schon sehr früh in der künstlerischen auseinandersetzung a.s in erscheinung und begegnet uns als
„akt + sessel" mit unterbrechungen in unterschiedlichen ausprägugnen immer wieder,
was liegt näher als die beziehungen und interaktionen, die akt und sessel mit einander verbinden als verhältnis des menschen zu der ihn umgebenden wirklichkeit zu lesen.
[bei giacometti endet die lebenslange suche nach der Iösung des immerwährenden widerspruches in der umkehrung der verhältnisse, in welcher die wirklichkeit die kunst übertrifft zitat „ich liebe sehr die sumerischen skulpturen. letztes mal im louvre war eine frau, die über die vitrine gebeugt einen sumerischen kopf betrachtete. sogleich ist dieser kopf zu einem grob bearbeiteten kiesel geworden und die frau ein wunderbarer gegenstand, bei dem ich nicht mehr wuste, ob er materiell oder nicht
materiell war, eine art durchsichtige bewegung im raum, ein lebendiger gegenstand, — das allerwunderbarste"].
wie a.s dieser auseinandersetzung im laufe seines weiteren kunstschaffens begegnen wird – das werden wir noch mit spannung verfolgen...
Textfragment: Mag. Ute Angeringer, Berlin 1998
Ausstellungseröffnung Axel Staudinger:
„Überwindung des Vorbildes"
Selbstausstellung vom 31.05.2001
Sehr geehrte damen und Herren,
ich freue mich, Sie zur Ausstellung mit Arbeiten des Künstlers Axel Staudinger begrüßen zu können. Es ist eine ganz besondere Ausstellung, denn wie es A.S. selbst definierte ist es die erste Selbstausstellung, d.h. der Künstler inszeniert seine Werke selbst an einem von ihm gewählten Ort mit besonderer Bedeutung und AuSstrahlungskraft; der Künstler hat hier nicht nur über sehr lange Zeit seine Malutensilien im Farbengeschäft Fellmann gekauft, - an dieser Stelle sei der Familie Berde für die Bereitstellung dieser Räumlichkeiten gedankt, die Besonderheit des Ortes ergibt sich aus dem Spannungsverhältnis, daß sich das Künstleratelier in unmittelbarer Nähe befindet, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, wir uns also ganz in der Nähe der „Produktionsstätte", um vorerst einmal sehr pragmatisch auszud, ücken, der hierätirsg-estuliterrArbelien befinden.
Sehr spannend für mich ist, daß sich mein distanzierter Blick als Rezipientin in der Interpretation der Werke und in der Ausstellungsgestaltung ein erstaunlich übereinstimmendes Bild ergeben, mit dem was Axel Staudinger in seiner sehr eigenen, viel weniger analytischen Zugangsweise mit hier präsentiert. Uns beide überraschte die sehr schlüssige Ordnung der Dinge, die sich aus diesem - seinem intuitiven Verhältnis zu seinen Arbeiten und der Gestaltung dieser Ausstellung ergab.
Den inhaltlichen Bogen der Ausstellung - ich habe ihr den Titel „Überwindung des Vorbildes" gegeben - spannt sich mit zeitlichen Brüchen und Verdichtungen über einen Zeitraum von beinahe 20 Jahren. Beginnen möchte ich mit einer Arbeit - sehr bezeichnend für die Rezipienten nachgesagte Vorliebe für Künstlerbiographien, wengleich auch in ihrer Ausführung unverdächtig - mit einem Selbstporträt.
Es ist dies „Das Selbstporträt als Hochhaus" aus dem Jahr 1987. Zum Frühwerk zählend lassen sich an diesem Selbstporträt ganz wesentliche Aspekte im Gesamtkontext des Oeuvres von A.S., die sich wie ein roter Faden durch das Geamtwerk ziehen, ablesen. 1987 als dieses Selbstporträt entstand, hatte A.S. die ersten künstlerischen Experimente bereits hinter sich, diese reichen zurück in den Beginn der 80er Jahre und fallen noch in die Schulzeit und den Fuß in die Tür der Architektur gesetzt. Wiewohl A.S. das Studium der Architektur abschließt, gilt seine Priorität immer der Auseinandersetzung mit seiner Kunst, sei dies Malerei, Graphik, sein plastisches Werk oder Aussflüge in andere Genres wie Musik, immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Das Verhältnis zur Architektur ist ein stets pragmatisches als technischer Brotberuf, es sei denn, es geht um theoretische Abhandlungen, in der Verschränkung von Architektur und Kunst.
Ganz deutlich manifestiert sich im „Selbstporträt als Hochhaus" aber auch der Bezug zum Vorbild, und jeder, der sich jemals mit A.S. und seinem Werk beschäftigt hat, weiß, daß dies Alberto Giacometti ist. Giacometti zeichnet nicht nur verantwortlich für die aktive Auseinandersetzung mit Kunst überhaupt, vielmehr begleiten dessen Werk und Gedanken Axel Staudinger seit mittlerweile über 20 Jahren und der Künstler Staudinger verbindet oder müßte man mittlerweile sagen verband, mit Giacometti eine Art imaginäre Meister-Schüler Beziehung und es war dies die einzige Verbindung dieser Art, denn A.S.. fand seine künstlerische Ausdruckssprache stets in autodidaktischer Weise und war bei keinem Meister in der Lehre.
Die Loslösung vom großen Vorbild, die sich in den letzten Jahren, vor allem in jüngster Zeit vollzogen hat, ist nicht der einzige Hinweis auf einen neuen künstlerischen Horizont und neue Wege, die der Künstler einzuschlagen gedenkt, die immer wieder für Überraschungen sorgen werden.
Um beim Selbstportät zu bleiben: Ganz persönliche Räume und ihre individuelle Inszenierung formen das Hochhaus, aber: Öffnungen gewähren dem neugierigen Betrachter Einblicke und in den Räumen und das erscheint mit wesentlich befinden sich Menschen. Der Mensch steht immer schon im Mittelpunkt des künstlerischen Schaffens von A.S., der Mensch und seine mögliche, unmögliche, komplizierte und manchmal leicht anmutende Wirklichkeit.
Wirklichkeiet ist komplex und schwer zu fassen und um noch einmal zum Vorbild Giacometti zurückzukommen, der einmal sagte, dass er „eine katze eher aus einem brennenden haus retten würde als einen Rembrandt..", und diese Aussage ist sicher nicht als Abwertung des künstlerischen Genies Rembrandt zu verstehen, vielmehr spiegelt sie dessen Obsession der Suche nach der Wirklichkeit wider, den Versuch, die unmöglich scheinende Grenze, welche die Kunst als eine die Wirklichkeit abbildende von der Wirklichkeit selbst trennt, zu überwinden.
Und genauso unlösbar scheint der Konflikt für A.S. dazu: „ der anblick eines gegenstandes ist schon ein abbild desselben — dieses abbild noch einmal abzubilden [...] bringt uns noch einen schritt weiter weg von der wirklichkeit. betrachtet der besucher einer ausstellung ein solches abbild, so hat er ein abbild eines abbildes vor sich."
Somit stellt auch ein beim ersten Blick abstrakt scheinenden Kunstwerk wie dieses Selbstporträt auf sehr subtile Weise diese Beziehung des Menschen und seiner Wirklichkeit her.
Noch einen wichtigen Hinweis, der einen engen Zusammenhang mit dieser Ausstellung steht ist der einzige offene Raum, nämlich das Atelier, das der Künstler zur Zeit der Entstehung dieses Werkes bezog und zu dem er nach wie vor eine ganz besondere Beziehung unterhält, auf die ich noch eingehen werde.
Wenn wir jetzt weitergehen zum Hauptteil dieser Ausstellung, nämlich den großen Block der vorgestellten Plastiken - es sind insgesamt 52 Plastiken und 27 Bilder ausgestellt - so gliedert sich dieser Block auch räumlich in zwei zeitliche Abschnitte, zwischen denen eine ziemlich große Zeitspanne von ca. 10 Jahren liegt: den einen Teil bilden Plastiken aus den 80er Jahren und geben einen repräsentativen Überblick über lange behandelte, mittlerweile abgeschlossene Themenbereiche, z.B. die „Akte auf Sessel", ein Thema das A.S. über lange Zeit begleitete und wie sie in zahlreichen Bildern immer wieder neu behandelt wurden.
Und es ist bestimmt kein Zufall, daß die hier präsentierten Arbeiten quasi über Jahrzehnte bloß als Skizzen, als Modelle existierten, bevor sie für diese Ausstellung erstmals in Bronze gegossen wurden und wenn ich an Bronze denke, dann impliziert das für mich gleichsam automatisch Dauerhaftigkeit wie kaum ein anderes Material. Die Plastiken erhalten damit einen neuen Kontext, vom Status des Modells, der Skizze sind sie nunmehr in den Status der Dauerhaftigkeit und damit auch in einen Zustand der Abgeschlossenheit transformiert. Und ich interpretiere das auch als Hinweis auf einen Wendepunkt im kreativen Schaffen von Axel StaudOinger. Die Bronzeplastiken sind vorgesehen in einer Auflage von je 5 STück, wobei jedes einzelne Stück ein Unikat darstellt, weil jedes einzelne zuvor vor dem Guß einzeln geformt wird nach dem Prinzip der verlorenen Form.
Betrachten wir nun die „andere" 'Seite, so sind diese Plastiken sozusagen in einem Guß entstanden, nämlich innerhalb eines extrem kurzen Zeitraumes von nur ein paar Monaten. Hierzu möchte ich nur einige Bemerkungen anführen: Sehr klar vollzieht sich hier die Loslösung vom Vorbild Giacometti hin zur eigenständigen Ausformulierung und die einstmals in die Höhe strebenden Figuren konzentrieren sich zu Plastiken im Kleinstformat.
Eine Arbeit, die sich ganz anders präsentiert als von Staudinger gewohntes sind die Bilder an der Wand, sie sind Relikte/Reliquien wie sie der Künstler bezeichnet einer Aktion mit dem Titel „Über die Flüchtigkeit des Augenblickes", eine Aktion im Rahmen des Gaugin Festivals im vorigen Jahr. Der Künstler selbst dazu: „Mir ging es ausschließlich darum, etwas so Flüchtiges, wie eine Berührung zu konservieren und für mich wiedererlebbar zu machen, so lange ich lebe."
Abschließend möchte ich sie noch vorbei an neuen Bildern in das Hinterzimmer führen, um den Kreis zu schließen: eingangs erwähntes Atelier ist natürlich sehr viel mehr als Produktionsstätte des künstlerischen Schaffens, vielmehr ist das Atelier Ort der ganz besonderen Aufmerksamkeit, Keimzelle aller kreativen Prozesse und ist selbst immer wiederkehrender Gegenstand der Auseinandersetzung künstlerischer Produktion.
Ich möchte meine Einleitung mit einem Zitat des Künstlers und seinen Bezug zum Atelier beschließen: „Der Raum in meinem Atelier ist ständig im Fluß, erstarrt erst mit meinem Tod, ist nur faßbar als blitzlichtige Kristallisation des Augenblickes meines Verschwindens. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Wände, die mein Atelier umhüllen das einzig unveränderlich an diesem Gebilde. Nicht was dort passiert ist das Wunderbare, sondern, daß es gerade dort passiert und nur dort passiert..."
ich wünsche Ihnen noch ein spannendes Ausstellungeerlebnis, auch der kulinarischen Natur, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Text: Mag. Ute Angeringer, Graz 2021