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Akt auf Sessel

1983 taucht in Staudingers Bildern erstmals das Motiv des Sessels auf.
In einer Serie auf schwerem Büttenpapier, sind die klaren Konturen eines Sessels und eines dazugehörigen Menschen vor farblich verschieden behandeltem Hintergrund zu sehen.
Kleine Menschlein, am kippenden Stuhl Halt suchend,  auf einem Sesselbein in Balancepose triumphierend,bis auf wenige Zentimeter sich beinahe im Nichts auflösend, überproportional vergrößert, mit gefährlich verlängerten Greifwerkzeugen auf oder vor einem Sessel  thronend, oder haltlos ins unendliche Blau stürzend - schier unendlich scheint die Reihe der Darstellungen in diesem Zyklus.
Auf den ersten Blick wird erkennbar, dass es sich hier um eine metaphorische Umsetzung subjektiver Empfindlichkeiten handelt.
Verlorenheit, ein auf die Spitze getriebenes und zur Schau gestelltes Ego, das Gefühl ins Bodenlose abzustürzen, Angst vor Nähe und Bindung, allgemein erleb- und erfahrbareGefühlswelten werden an Staudingers Sesseln dingfest gemacht.
Staudinger transformierte seine eigene Lebenssituation, seineBefindlichkeit mit Hilfe der Relation Sessel - Mensch in jeneBilder. Seine eigene Aussage „Der Akt bin ich, der Sessel die Welt, und unsere Stellung zueinander ist mein Leben“ verdeutlicht mit wenigen Worten das dahinterstehende Konzept.
Die Aufarbeitung einer verlorengegangenen Liebesbeziehungwurde vom Künstler 1984 in der Darstellung einer vom Sesselstürzenden Frau vorgenommen.
Der Sturz vom Sessel wird interpretierbar als Metapher der Haltlosigkeit, des nicht Beeinflussbaren - als Chaosmoment mit ungewissem Ausgang. Immer wieder kehrt dieses Motiv in späteren Bildern zurück,kompositorisch verändert, jedoch häufig in derselben Farbkombination blau - rot - gelb - schwarz.
Die letzte entstandene Sesselserie weicht von diesem Farbenkanon ab und zeigt oftmals Akt und Sessel auf tiefschwarzem Hintergrund.
Deutlich bemerkbar ist das Größerwerden  des Aktes im Verhältnis zum Sessel, wohl Ausdruck eines gestärkten Selbstbewusstseins, einer zunehmenden persönlichen Akzeptanz.
Die „Sesselbilder“ Axel Staudingers verdeutlichen, dass der Künstler in ihnen, über Jahre hinweg eine Möglichkeit gefunden hat, seine persönliche Entwicklung innerhalb eines motivischen Spektrums künstlerisch differenziert umzusetzen.
Die Bandbreite der Variationsmöglichkeiten innerhalb eines begrenzten motivischen Spektrums einerseits und die stringente Aufrechterhaltung von einmal gefundenen und formal fix definierten menschlichen Kürzeln andererseits macht Staunenund gibt Hoffnung auf Fortsetzungen.


​Text zur Werkmonografie von Dr. Michaela Schuster Preiner. 1997

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